Gothic Voices - The Dufay Spectacle - Concerto
Es gibt Cover, die das Auge fesseln, noch bevor man die CD ins Laufwerk einlegt. So auch beim 'Dufay Spectacle' das das Ensemble Gothic Voices entfesselt.
Was für ein Spektakel ist da zu erwarten? Als Setting hat man sich eine italienische Hochzeitsfeier an der Kippe von der Spätgotik zur Frührenaissance ausgedacht, konkret die Verehelichung des Carlo Malatesta mit Vittoria Colonna im Jahr 1423. Tatsächlich hat Guillaume Dufay für diesen Anlass ein Werk geschrieben, die Chanson 'Resvelliés vous'. Die Annahme: Der Komponist ist selbst eingeladen zur Festivität. Berühmt, wie er nun mal ist, werden der Gast und seine Musik zum eigentlichen Mittelpunkt. Seine Musik ertönt in vielen Spielarten, weit hinausgehend über pure Hochzeits- und Huldigungswerke. Ein rechtes Dufay-Spektakel eben, wie es einem Star-Komponisten wohl zukommt ...
Das hat natürlich nichts mit philologischer Akribie zu tun, nicht mit irgendwelchen historisch rekonstruierbaren Festabläufen und Werkfolgen - lediglich Musik eines einzigen Meisters aufs Programm zu setzen, wäre wohl gar absonderlich gewesen. Das hier vorgelegte Spektakel rund um Musik von Dufay kommt aus dem Herzen eines Ensembles, das sich seit vier Jahrzehnten mit solcher Materie befasst. Die Gothic Voices haben sich über die Zeitläufte als Interpreten eingefuchst in seinen Personalstil, und ihre Seelen brennen für Dufay. Sie lassen uns lustvoll teilhaben an ihrer eigenen Begeisterung und imaginieren eine Zusammenkunft von Musikern der Epoche, die - welch reizvolle Vorstellung! - ihren hochverehrten Kollegen und Meister der Kompositionskunst hochleben lassen, indem sie assoziativ unterschiedlichste Werke und Gattungen verknüpfen. Dufay also quasi in allen Spielarten, aber immer stilistisch perfekt und unterfüttert mit musikantischer Leidenschaft. Da stehen isorhythmische Motetten mit zwei oder drei parallelen Textebenen neben innig schlichten Marienliedern, es ist Platz für die prominente Stadt-Huldigungsmotette an Florenz ('Salve flos Tuscae gentis') und für die Motette 'Ecclesiae militantis' zur Krönung von Papst Eugen IV.
Geistliche Werke ('O sancte Sebastiane' oder 'Apostolo glorioso') stehen neben Chansons und Melodien aus dem Buxheimer Orgelbuch, die Dufay zugeschrieben werden (etwa 'Se la face ay pale'), in unterschiedlichen instrumentalen Varianten. Da greift Andrew Lawrence-King als Begleiter von Jane Achtman (Fidel) einmal zur Harfe, ein anderes Mal zur Orgel. Überhaupt ist das Zusammenwirken von Vokalisten und Instrumentalisten (klangdifferenziert bis zu Dulzian und Sackpfeife) wunderbar ungezwungen, gleichwohl immer durchdacht, und arbeitet so, durch Spaltklang die Textebene sondierend, der Gesamtwirkung mit dramaturgischem Know-how zu. Das Musikantische kommt nicht zu kurz und nimmt zu kurz und nimmt einen gefangen: farbenfroh emphatische Musik zum anregenden Cover eben, das musikalische Festfreuden der Epoche suggeriert, am Beispiel der Hochzeit der später heiliggesprochenen Elisabeth von Ungarn mit Ludwig IV. auf der Wartburg. Anregung nicht nur für den Gehörsinn!