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Magnificat - Rogier: Missae Sex - Klassik

Interpretation: 4 stars
Klangqualität: 4 stars
Repertoirewert: 4 stars

Flämischer SpanierZwei Messen von Philippe Rogier in einer sehr ansprechenden und kundigen Interpretation durch das Ensemble Magnificat und Philip Cave.

Beim rührigen Label Linn Records hat der englische Ensembleleiter und Musikologe Philip Cave schon erfolgreich eine Lanze für das noch wenig bekannte Werk des am spanischen Hof aktiven franko-flämischen Meisters Philippe Rogier (ca. 1561-1596) gebrochen. Waren es in der letzten Produktion Beispiele lebhafter Polychoralität, die Rogiers Potenzial als affektsicherer Tonsetzer ausdeuteten, umfasst die vorliegende Platte in ihrem Kern zwei Messen: Die 'Missa Inclita stirps Jesse' und die 'Missa Philippus Secundus Rex Hispaniae'. Hier wird Rogier als versierter Exponent des älteren polyphonen Modells gezeigt, der das Erbe der vorhergehenden Komponistengenerationen, dem eher konservativen spanischen Geschmack entsprechend, erstaunlich ungetrübt aufgreift - bedenkt man den vergleichsweise späten Entstehungszeitpunkt der Werke in den 1590er Jahren.

Die 'Missa Inclita stirps Jesse' basiert auf einer relativ einfach gebauten, ebenso klangsinnlichen wie eingängigen motettischen Vorlage von Jacobus Clemens (ca. 1510-ca. 1556). Die Messe Rogiers greift deren freien Fluss auf, konzentriert die linearen Verläufe aber spürbar, ohne dabei die Konstruktionsweise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Auch in dieser durchaus streng gebauten Messe bemerkt man Rogiers feinen Klangsinn und meint, auch in diesem älteren Idiom den schon deutlich affektinteressierten Tonsetzer zu hören. In der 'Missa Philippus Secundus Rex Hispaniae' geht Rogier einen anderen Weg bei der Gewinnung des ursprünglichen musikalischen Impulses: Den Vokalen ihres Titels legt Rogier die passenden Solmisationssilben zu Grunde und erhält so ein Grundmotiv eher allgemeinen und wenig prägnanten Charakters. Doch bietet diese wenig scharfkantige Anlage der Motivik dem Komponisten reichere Entfaltungsmöglichkeiten, hat die enge Führung der Linie - die elf Töne bewegen sich insgesamt lediglich im Abstand einer Quarte - auch deutlicher hervortretende Dissonanzen zur Folge. Diese Königsmesse erscheint im Vergleich zur vorangestellten nochmals konzentrierter. Rogier konterkariert diesen Verdichtungseffekt auch dadurch, dass er nach Zäsuren oder Schlussklauseln geringstimmige Einsätze von durchbrochenem Charakter nutzt und die Sätze dann allmählich weitet.

Souverän & stilsicher

Philip Cave hat sein Ensemble Magnificat zu einer konzentrierten zehnstimmigen Besetzung geformt. Julie Cooper und Alex Kidgell (Sopran), Sally Dunkley und Caroline Trevor (Alt), Jeremy Budd und Matthew Long (Tenor), Ben Davies und Eamonn Dougan (Bariton) sowie Christopher Adams und Robert Macdonald (Bass) bilden in klaren Registern eine schlagkräftige Formation mit deutlichen Stärken in der gelungenen Abbildung der Satzstrukturen, dabei im Vergleich mit anderen englischen Vokalensembles durchaus einem erwärmten, harmonischen Klangideal folgend. Die Register klingen sehr charakteristisch, hier sind vor allem die tiefen Stimmen sehr präsent, ohne aber den Gesamteindruck zu dominieren. Überhaupt lassen die versierten Vokalisten, die zum großen Teil auch aus etlichen anderen Kontexten bestens bekannt sind, nichts vermissen, dessen Renaissancemusik dieser Setzweise bedarf: Es wird in frei fließenden, langen Bögen gesungen, Details werden zugleich aktiv gedeutet und als belebende Elemente aufgefasst, in atmender Intonation werden Zäsuren und Schlüsse klug angesteuert, die Register zeigen sich in ausgewogener Präsenz und Durchhörbarkeit.

In der Königs-Messe gehen die Instrumente der versierten Formation His Majestys Sagbutts and Cornetts mit, die den Klang charaktervoll und der spanischen Kathedraltradition entsprechend verstärken, ohne je die dominante Größe zu werden. Dazu liefert das räumliche aber doch nicht zu große Klangbild einen verlässlichen Rahmen. Der Ansatz ist auf die Einzelregister konzentriert, ohne die bei allzu direkter Aufnahme des Vokalklangs gelegentlich zu beklagende Tendenz zur Skelettierung des Gesamteindrucks zu riskieren. Gelegentlich wirkt der Diskant etwas zu scharf. Philip Cave und sein Ensemble Magnificat setzen mit dieser erfreulichen Produktion ihre auch diskographisch verdienstvolle Arbeit an den hochinteressanten Werken Philippe Rogiers auf hohem Niveau fort.    

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Klassik
06 January 2012