Robin Ticciati & DSO - Ravel & Duparc: Aimer et mourir - SWR2
Mal rauschhaft, mal morbide
Die Mezzosopranistin Magdalena Kožená hat mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und seinem Chef Robin Ticciati fünf kunstvolle Orchestergesänge aufgenommen, darunter auch die berühmte „Invitation au voyage“, nach Versen von Charles Baudelaire. „Aimer et mourir“, „Lieben und sterben“, heißt die CD, – und tatsächlich haben die mal rauschhaften, mal morbiden Klänge etwas von einem Wagnerschen Liebestod an sich. Eine Wagner-Sängerin wäre hier als Interpretin allerdings fehl am Platze. Magdalena Kožená ist glücklicherweise das komplette Gegenteil von einer Wagner-Heroine mit ausladendem Vibrato und Stentorstimme.
Ideale Sopran-Besetzung
Ihr Mezzosopran klingt weich und geschmeidig, schlank und klar. Kožená ist bei Duparc ideal eingesetzt, weil sie den sehnsüchtigen Tonfall der Musik gut trifft: Sie kann den Klang verwehen oder verglühen lassen, das Vibrato subtil dosieren und den Ausdruck bei langgehaltenen Tönen sukzessive verändern. Auch die Introvertiertheit ihres Gesangs passt gut zum Charakter der Duparc-Lieder, die doch eine noble Kunst darstellen – Drücker und Schluchzer wären da unangebracht. Das Deutsche Symphonie-Orchester funkelt und glitzert, blitzt und leuchtet dazu wie eine Kollektion von Edelsteinen. Dass sich dieses Orchester, das seit 2017 unter der Leitung des 35-jährigen Briten Robin Ticciati steht, nicht hinter der berühmteren Berliner Konkurrenz verstecken muss, beweisen auch die beiden Ravel-Werke, die Duparcs Lieder auf der CD ergänzen: die „Valses nobles et sentimentales“ und die zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“. Die beginnt mit einem der Kultstücke des Impressionismus, wenn nicht gar des 20. Jahrhunderts überhaupt: mit dem „Lever du jour“, der Morgendämmerung.
Ohne aufgesetzte Expressivität
Das Deutsche-Symphonie Orchester aus der Hauptstadt Berlin klingt so idiomatisch Französisch, wie man es sich nur wünschen kann: hell und transparent, fließend und schlackenfrei, charakteristisch in den Klangfarben, doch ohne aufgesetzte Expressivität. Alles sei „Schönheit, Luxus, Ruhe und Vergnügen“, heißt es am Ende von Baudelaires Gedicht „L’invitation au voyage“, das Magdalena Kožená zuvor gesungen hatte – und diese Losung gilt auch für Ravels Orchestermusik in der Interpretation von Robin Ticciati. Dass er sich in seiner ersten Spielzeit als Chefdirigent in Berlin so intensiv dem französischen Repertoire widmen konnte, das hat sich also ausgezahlt. Und wir dürfen feststellen: 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dem sich Deutsche und Franzosen so unerbittlich bekämpften und das jeweils Andere verteufelten, ist die Feindseligkeit dem Respekt gewichen, ist auch die Orchesterkultur polyglott geworden. Was nur zum Besten der Musik ist.