Katherine Bryan - Silver Bow - The New Listener
Flötenvirtuosin Katherine Bryan adaptiert in ihrem neuen Album „Silver Bow“ Musik für Violine und Orchester. Mit dem Royal Scottish National Orchestra unter Jac van Steen hat sie ein facettenreiches Programm aufgenommen, welches vorwiegend aus Werken des 19. Jahrhunderts besteht, sich jedoch auf keine Gattung festlegen möchte. So findet sich hier sinfonische Programmmusik von Vaughan Williams genauso wie rein solistische und kammermusikalische Stücke von Paganini, Schostakowitsch, Massenet und Saint-Sa?ns.
Um zunächst einmal auf den gewählten Titel einzugehen: Die Flöte als silbernen Bogen zu bezeichnen ist eine witzige bildliche Beschreibung der Essenz dieser CD, wirkt anfangs jedoch sehr gewagt, beinahe provozierend. Man ist sich über diese Bezeichnung erst nach dem Höreindruck im Klaren, denn auf den ersten Blick haben beide Instrumente nicht sehr viel gemein. So lässt sich im Klang zwar noch eine gewisse Ähnlichkeit heraushören, unterscheiden lassen sich Violine und Querflöte aber vor allem in der unterschiedlichen Klangerzeugung. Auch Bryan, die den Zuhörer mittels ihres farbenreichen, virtuosen, klangsensiblen Spiels durch diesen Übergang vom Streich- zum Blasinstrument führt, schafft es nicht immer, diese Grenze vollkommen verschwinden zu lassen. So ist vor allem der Charakter von Saint-Sa?ns „Introduction et Rondo capriccioso Op. 28“ beinahe gänzlich verloren gegangen. Diese Komposition, gewidmet dem spanischen Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate, beginnt mit einem zarten, sehnsuchtsvollen Violin-Thema, welches nach und nach auf das tänzerische Rondo hinführt. Sehr grazil und beinahe burlesk anmaßend erinnert dieses Spiel von teuflischer Besessenheit der Violine doch sehr an Saint-Sa?ns „Danse macabre“. Von dem dämonischen, schneidenden Unterton ist bei Bryan jedoch wenig übrig geblieben. Es wirkt unbeholfen, unbedarft, manchmal unfreiwillig komisch, wenn sie hier versucht, den Geigenklang mit einer Flöte zu imitieren. Dasselbe bei den Zigeunerweisen des ebengenannten Widmungsträgers, des Virtuosen und Komponisten Pablo de Sarasate: auch hier bekommt die Musik eine andere Intention und verfehlt die vom Schöpfer intendierte Wirkung. Rein objektiv betrachtet ist das jedoch nicht zwangsweise etwas Schlechtes. Oft eröffnet es uns eine neue Perspektive auf etwas Bekanntes neue Räume.
Steht Bryan z. B. bei Paganinis „Caprice No. 24“ mehr interpretatorischer Handlungsspielraum zur Verfügung, so ist man durchaus beeindruckt, wie sie mit bläserspezifischen Techniken wie Flatterzunge, Doppel- bzw. Tripelzunge den Geigenklang, hier geprägt durch repetitive Figuren, Tremoli, Doppel-,Tripel- und Quadrupelgriffe, täuschend echt imitiert. Besonders hervorzuheben ist die, laut ihrer eigenen Aussage selbst entwickelte, „Plop- Zungentechnik“, bei welcher der Ton durch das vorzeitige Verschließen der Luftöffnung den gezupften (pizzicato-) Ton auf einem Streichinstrument nachahmt.
Ist der Charakter bei den beiden oben genannten Werken doch stark verfehlt worden, gelingt Bryan bei Vaughan Williams’ impressionistischem Konzertstück „The Lark Ascending“ jedoch eine Neuschöpfung. Sie imitiert nicht nur den Klang der Violine, nein, sie geht noch weiter. Sie nimmt die Musik als solche an wie sie ist. So trifft sie im wahrsten Sinne des Wortes den richtigen Ton und gibt diesem Tongemälde eine neue Farbe. Man fühlt sich an Debussys „Prélude a l´après midi d´un faune“ erinnert, wenn Bryan bei Vaughan Williams die Flöte des Pan erklingen lässt, so unschuldig Vogelmelodien imitiert. Auch das sehr impressionistisch angehauchte Harmoniefundament bringt das Royal Scottish National Orchestra mit gut ausgewogenen Bässen und Celli zur Geltung und verhilft diesem paradiesischen See zur Vollkommenheit.
Dieses nuancenreiche, klangsensible Spiel bezaubert auch bei Massenets weltberühmter Méditation aus der Oper Tha?s. Auch hier verschmilzt ihr Klang wunderbar mit dem des Orchesters und nimmt den sanften, ruhigen Charakter vollends an. Wie bei Vaughan Williams bekommt der Zuhörer das Gefühl, man würde Originalliteratur zu Gehör bekommen. Ihr lyrisches, expressives Spiel bietet sich selbstverständlich auch für Romanzen an, weshalb es kein Wunder ist, warum auf dieser CD gleich drei vertreten sind. Allesamt, darunter auch Fritz Kreislers „Liebesleid“ aus alten Wiener Tanzweisen, sind sie nett anzuhören, aber fallen doch eher in die Kategorie „leichte Musik zum Genießen“, wobei Bryan auch hier dem Violincharakter in nichts nachsteht.
Dazu ist noch zu sagen, dass die äußerst lebendige Aufnahmetechnik den qualitativ hochwertigen Eindruck unterstreicht. So empfinde ich beispielsweise das manchmal etwas laute Einatmen genauso interessant wie die eigentliche Musik, denn es dient wie eine Art Impuls, sich voll und ganz auf sie einzulassen.
Mit Transkriptionen ist das so eine Sache. Es können dabei sehr gewöhnungsbedürftige Ergebnisse herauskommen oder kleine Perlen in Erscheinung treten. Letzteres trifft meines Erachtens auf diese hörenswerte CD zu.