Phantasm - Tye - Pizzicato
Ein ähnlicher Affront wird Mozart zugeschrieben, wie er auch für Christopher Tye nach seinem Tode überliefert wurde. Als Tye in der Kapelle der Königin Elisabeth Orgel spielte und dabei „viel Musik und wenig Vergnügen für das Ohr“ produzierte, ließ die Königin ihm mitteilen, dass er in falscher Stimmung gespielt habe. Darauf antwortete er ihr, dass ihre Ohren verstimmt seien. Diese Anekdote ist vielleicht nur erfunden, scheint aber einen realen Bezug zu haben, da Tye auch als mürrisch und launisch beschrieben wurde.
Auch in den Kompositionen dieses englischen Komponisten der Renaissance finden sich solche Frechheiten. Die vollständig eingespielten Instrumentalwerke, soweit sie überliefert wurden, zeigen Auffälligkeiten. So wird beispielsweise in ‘Crye’ das Geschrei der Straße imitiert, bei ‘Trust’ stampft der ‘Cantus Firmus’ im Metrum von fünf Schlägen, was die anderen Stimmen schlichtweg ignorieren und eigene Wege gehen, und in ‘Free from all’, verstößt der Komponist gegen allen harmonischen Anstand. Es gibt also einiges zu entdecken.
Das Grundgerüst der vorgestellten Werke bilden die 23 ‘In Nomine’- Vertonungen, die durch weitere Sätze mit teilweise religiösem Bezug ergänzt werden. Damit kann Tye als Begründer einer Tradition angesehen werden, denn die Zahl der ‘In Nomine’-Vertonungen ist Legion.
Für welche Besetzung die Stücke vorgesehen waren, ist, wie vieles andere, nicht belegt. Allerdings bietet sich die Präsentation mit einem Gambenconsort an. Das Ensemble ‘Phantasm’ hat sich dieser Aufgabe mit seinem ganzen und vielfach gelobten Können angenommen. So ist eine spielfreudige und nuancierte Darstellung gelungen, die einen weiteren Puzzlestein aus der reichhaltigen Welt der englischen Musikgeschichte einordnet und mit viel Musik und auch viel Vergnügen für das Ohr des heutigen Hörers erfreut.