Bach Mass in B Minor - Dunedin Consort - Musik an sich...
Nach der Pioniertat von Andrew Parrott aus den 1980er Jahren ist dies die inzwischen vierte Produktion von J. S. Bachs monumentaler H-Moll-Messe, die in solistischer Besetzung eingespielt wurde. John Butt und Dunedin Consort & Players schließen sich den maßstabsetzenden Produktionen von Cantus Kölln (Konrad Junghänel, hm 2003) und La Petite Bande (Sigiswald Kuijken, Challenge 2009) an.
Bei der Besetzung folgt Butt den Vorschlägen Joshua Rifkins: Fünf Prinzipalstimmen werden gelegentlich durch fünf Ripienostimmen verstärkt, z. B. wenn Pauken und Trompeten mitspielen (z. B. Gloria) oder in den eher motettenhaften Sätzen (z. B. Quoniam), wo sie manchmal auch nur die späteren Stimmeinsätze verstärken (z. B. Kyrie II). Die ausdrucksvolleren Ensembles wie das Crucifixus interpretiert das Ensemble solistisch. Das alles wird im Beiheft anhand der Quellen diskutiert, führt im Ganzen aber dann auch nicht zu wesentlich anderen Entscheidungen bzw. klanglichen Ergebnissen, als in der ähnlich disponierten Junghänel-Einspielung.
So gesehen ist die konsequent einfache Besetzung in der Kuijken-Einspielung die radikalere Alternative. An die Stelle von Kuijkens kammermusikalischem Feinschliff, bei dem die „großen Chöre" wie kunstvolle geistliche Madrigale musiziert werden, so dass der Gesamteindruck himmlisch entrückt ist, tritt bei Butt und den Dunedins ein herzhafteres Musizieren. Die gilt vor allem für die reicher instrumentierten, konzertanten Sätze. Gleich die Gloria-Eröffnung trumpft mit schmetternden Trompeten und kernigen Paukenschlägen auf. Durch die Verdopplung im Tutti treten die Singstimmen bei sehr schnellen, kraftvollen Sätzen wie dem Cum Sancto Spiritu (Gloria) deutlicher in den Vordergrund. Auch sonst walten eine etwas höhere Binnenspannung durch stärkere Tempokontraste und mehr tänzerischen Schwung, wie man u. a. beim zügigeren Kyrie II, dem Domine deus (Gloria) oder Et in unum Dominum (Credo) hören kann. Sieht man einmal von dem merkwürdig stumpfen Continuo-Cembalo ab, könnte diese Produktion darum denjenigen Hörern zusagen, denen der Belgier zu kontemplativ oder asketisch ist oder für die die "groß" besetzte Gardiner-Einspielung von 1985 (DGG/Archiv) nach wie vor der Maßstab historisch informierten Musizierens ist.
Bei den Stimmen hat La Petite Bande freilich die Nase vorn: Nicht nur ist das Ensemble im Ganzen ausgesprochen homogen; die ansatzbedingt leichten Stimmen sind durchweg sehr klangschön und in den hohen Lagen leuchtend. Beim Dunedin Consort gibt es dafür individuellere Einzelstimmen wie den charaktervollen, bühnentauglichen Bass Matthew Brooks. Während sich der Tenor Thomas Hobbes durch noble Klarheit auszeichnet, fällt bei den beiden Sopranen ein knabenhaftes, kindliches Timbre auf - bei den Soli ist das sicherlich Geschmackssache (z. B. das etwas kehlige Laudamus te von Cecila Osmond). Margot Oitzinger Alt hingegen ist ein willkommener Ersatz für die in englischen Ensembles bevorzugten, aber oft wenig überzeugenden solistischen Countertenöre.
Also: Wer trotz solistischer Besetzung einen konzertanten Bach mit kräftigeren Akzenten bevorzugt, der ist mit dieser Einspielung gewiss gut bedient.