Catriona Morison - The dark night has vanished - Online Merker
So eine ideale, barock-goldene Mezzo-Liedstimme habe ich seit den Tagen u.a. von Janet Baker und Teresa Berganza nicht mehr gehört. Die schottisch-deutsche Sängerin Catriona Morison steht noch am Anfang ihrer Karriere. Zwar hat sie schon zwei Jahre in der deutschen Opernprovinz als Ensemblemitglied in Wuppertal absolviert, aber die prestigeträchtigeren Auftritte gab es im Konzert- und Liedfach. Teodor Currentzis tourte mit ihr als Altsolistin im Mozart-Requiem durch die Lande, als Liedinterpretin trat sie schon in der renommierten Wigmore-Hall auf. Ein Adelsschlag.
Auf der überaus erfreulichen Debüt-CD präsentiert die Wahl-Berlinerin in deutscher Sprache gesungene Lieder von Edvard Grieg, Johannes Brahms, Josephine Lang und Robert Schumann. Dabei ist Catriona Morison keinesfalls die Opernsängerin, die auch mal Lieder singt. Ihr taufrischer, bunt- und obertonreicher, technisch ausgereifter Mezzo ist prädestiniert für stilistisch untadelige Liedgestaltungen. Morison führt ihre Stimme bruchlos auf Linie und modelliert die lyrischen Bögen behutsam zum Text hin. Sie legt besonderen Wert auf zarte Diminuendi beim Abphrasieren und lässt die tiefen Register balsamisch in die Mittellage übergehen. Das Ausklingenlassen ist überhaupt eine seltene Kunst, die nur die allerbesten Kolleginnen vollkommen beherrschen. Die kleinen Geschichten bekommen so gerade wegen ihrer fragilen Anmutung etwas berührend Unbefangenes.
Morison pflegt eine erzählerische Natürlichkeit, ihr luxuriös timbrierter Mezzo ist zu feinen Zwischentönen befähigt, die den Vortrag reizvoll wie Goldadern durchziehen. Emotional wagt sich Morison noch nicht allzu sehr aus der Reserve. Vokaler Wohlklang und poetische Verinnerlichung gehen vor expressiver Kante und furioser Geste. Auch das ist richtig für die aktuelle Phase der stimmlichen Entwicklung, so kommt das Mädchenhafte und Staunende der Gesänge bestrickend gut zur Geltung.
Dass es sich bei dem Album nicht einfach um bloßes Anfängerglück handelt, zeigt die kluge Programmgestaltung. Neben drei Blöcken mit den „Sechs Liedern Op. 48“ von Grieg, sechs altbekannten Brahms-Hits (Dein blaues Auge, Immer leiser wird mein Schlummer, Mädchenlied, Sapphische Ode, Alte Liebe, Junge Lieder I: Meine Liebe ist grün) sowie sechs Liedern von Robert Schumann nach Gedichten von Nikolaus Lenau (Lied eines Schmiedes, Meine Rose, Kommen und Scheiden, Die Sennin, Einsamkeit, Der schwere Abend) samt dem dramatischerem „Requiem“ Op. 90 verdienen insbesondere die sechs ausgewählten Lieder von Josephine Lang die Aufmerksamkeit.
Josephine Lang, Sängerin, Pianistin und Komponistin, war eine bedeutende und zugleich tragische Figur der deutschen Romantik. Felix Mendelssohn-Bartholdy, Pate ihres ersten Sohnes Felix, Ferdinand Hiller sowie Robert und Clara Schumann schätzten und förderten sie. In kurzer Zeit gebar Josephine sechs Kinder. Ihr Mann, Christian Reinhold Köstlin, erlag frühzeitig einem Lungenleiden. Trotz angeschlagener Gesundheit musste sie alleine für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen, dazu neben dem Haushalt und der Krankenpflege Klavier- und Gesangsunterreicht erteilen. Drei ihrer Söhne starben vor ihr, Felix unter besonders dramatischen Umständen. Er verbrannte in einem Pflegeheim, in das er als 20-jähriger ‚geistig umnachtet‘ eingeliefert wurde.
Als Komponistin kultivierte Lang einen harmonisch komplexen Klavierpart, in der Zeit der aufblühenden Liebe zu Köstlin 1840/41 maßgeschneidert zu sehnsuchtsvollen Melodien. Hinreißend gelingt die der Sehnsucht huldigenden Goethe-Vertonung von “Mignon’s Klage”.
Als Riesenplus entpuppt sich der Mitgestalter am Klavier Malcolm Martineau, ohnedies einer der besten seiner Zunft. Wie schon bei der Lied-CD mit Elina Garanca wächst Martineau in Kombination mit dieser inspirierten Künstlerin zu einem sensibel kongenialen Partner, der in einen kreativen, hochenergetischen Dialog mit der Stimme tritt.
Mehr als eine Empfehlung, ein Muss! Persönlich kann ich nicht genug bekommen von dieser CD.