Robin Ticciati - Swedish Radio Symphony Orchestra - Berlioz: L'enfance du Christ - Klassik
Interpretation: 4 stars
Klangqualität: 5 stars
Booklet: 5 stars
Bewegende Schlichtheit
Das runde, stimmungsvolle und lebendige Gesamtbild der vorliegenden Interpretation von 'L'enfance du Christ' ist ergreifend direkter Wirkung.
Hector Berlioz' Oratorium 'L‘enfance du Christ' weiß seit 160 Jahren zu faszinieren, im Gegenteil ist das Werk auch gegenwärtig sehr beliebt, vor allem an Weihnachten, aufgrund der Erzählung der Kindheit Christi aber auch zu fast jeder anderen Zeit im Kirchenjahr. Melodische Schlichtheit und eine teils sehr reduzierte Instrumentation sind in dieser Komposition gleichermaßen vorhanden wie die typischen dramatischen Effekte der französischen Oper zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Trotzdem hat Berlioz das etwa eineinhalbstündige, dreiteilige Oratorium bewusst sehr schlicht gehalten; von dem Werk geht musikalische Intimität aus.
Diese Intimität und Sensibilität setzen die Interpreten der vorliegenden Aufnahme bei hoher Spielkonzentration und einem Gespür für die elegante französische Melodik hervorragend um. Unter der Leitung des noch 30jährigen Dirigenten Robin Ticciati bilden die beiden Klangkörper, das Swedish Radio Symphony Orchestra und der Swedish Radio Choir, eine gut aufeinander abgestimmte musikalische Einheit, die nur gelegentlich Schwächen in der klanglichen Balance aufweist (beispielsweise in der zweiten Szene des dritten Teils, in dem das Orchester gegenüber dem sehr direkten Chorklang mit seinen jeweils recht kurzen Motiveinwürfen gelegentlich in den Hintergrund gerät). Das Swedish Radio Symphony Orchestra wird nichtsdestotrotz bei dieser Einspielung seinem hervorragenden Ruf als international geachtetes Spitzenorchester gerecht; die solistischen Qualitäten der Musiker und das perfekt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel sorgen für ein hohes Niveau dieser Aufnahme.
Auch der Chor präsentiert sich - besonders hervorgehoben sei hier der A-Capella-Chor des Epilogs - bei guter Intonation als eine äußerst homogene Einheit. Die hohe Konzentration der Interpreten sorgt bei den oft sehr langen melodischen Linien für eine bemerkenswerte Spannung, die leider an einigen Stellen vom Dirigenten und dessen Neigung zu einer tendenziell kurzatmigen Spannungsgestaltung durchbrochen wird. Dieser Eindruck entsteht unter anderem in der vierten Szene des ersten Oratoriumteils. Andererseits erfährt die Interpretation durch den zügigen Ablauf einen schönen Schwung und entgeht so der Gefahr der tagnation, die oft zum negativen Resultat der reduzierten Satzdichte wird.
Mit einer musikalisch lebendigen Gestaltung bieten Chor und Orchester eine entscheidende Grundlage für die vier Vokalsolisten. Erstklassig besetzt sind die Rollen des Erzählers (Yann Beuron), des Joseph (Stephan Loges), der Maria (Véronique Gens) und des Herodes (Alastair Miles). Yann Beurons stimmlicher Ausdruck ist emotional, die reine Stimme von Véronique Gens harmoniert hervorragend mit Stephan Loges in seiner Rolle als Joseph. Alastair Miles überzeugt als Heroders zwar mit einem dunklen, sehr farbenreichen und durchdringenden Klang, vermag sich mit zu viel Dramatik in seiner Stimme allerdings nicht immer gleich gut in das schlichte Gefüge der Komposition und der vorliegenden Interpretation einzufügen.
Den Interpreten insgesamt gelingt es aber sehr gut, die Intimität und schlichte Emotionalität des Oratoriums zu vermitteln. Wenn uch der dramaturgische Ablauf gelegentlich zu schnell vorangetrieben wird, präsentiert sich die Interpretation als eine usikalische Einheit.