Sollazzo Ensemble - Parle qui veut - Toccata
In der kurzen Zeit seiner Existenz hat das 2014 gegründete Sollazzo Ensemble für Aufregen gesorgt. 2015 gewann es gleich drei Preise beim York Early Music Festival. Inzwischen gehört es zu den gefragtesten Ensembles im Bereich der Musik des späten Mittelalters und der Frührenaissance. Vor kurzen hörte ich es in einem Abendkonzert im dritten Programm der BBC, was für ein Ensemble dieser Art eine Seltsamkeit ist. Im Utrechter Festival Alte Musik trat es gleich zweimal auf, und zuvor hatte ich es schon in der jährliche Reihe von Konzerten mit alter Musik gehört. Jedesmal hat es auf mich einen grossen Eindruck gemacht, und die jetzt zu rezensierenden CDs bestätigen die positiven Eindrücke.
Die erste CD, die bei Linn Records erschien, ist Teil des Preises beim Festival in York. Wie bei allen Konzerten dieses Ensembles dreht sich alles um ein Thema: in diesem Fall ist es das Repertoire, das eine bestimmte Botschaft vermittelt. Der Untertitel fasst das zusammen: „moralisierende Lieder des Mittelalters“. Im Mittelalter gab es mehr Raum für Sozialkritik als in späten 14. Jahrhundert. Im Programm sind verschiedene damals gängige Gattungen vertreten, wie ballata und caccia. Den meisten Liedern liegt ein italienischer Text zugrunde, aber es gibt auch ein paar Lieder auf französischem Text, darunter das Lied von Andrea Firenze, das der CD ihren Titel gab. Ferner hören wir hier Lieder von Ciconia, Giovanni da Firenze, Solage und Antonio Zacara da Teramo. An Ausdruck mangelt es nicht, aber dann auf eine andere Weise als in späterer Musik. Trotzdem, in einer der Balladen wird auch Harmonie als Ausdrucksmittel verwendet, und in der Darstellung der beiden Sopranistinnen Yukie Sato und Perrine Devillers kommt das perfekt zum Tragen. Dem Interpreten kommt eine wichtige Rolle zu; er kann einem Stück seinen persönlichen Stempel aufdrücken, wie das der Tenor Vivien Simon in Solage’s 'Le Basile' macht.