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Phantasm - Lawes: The Royal Consort - BR Klassik Radio

Kein guter Tag im Leben König Charles des Ersten von England, dieser 24. September 1645. Von einem Wehrturm der Stadtmauer der Stadt Chester aus, heute zu seinen Ehren genannt "The King Charles' Tower", muss er dabei zusehen, wie die gegnerischen Armee Oliver Cromwells seine Truppen in Stücke haut. Eine der blutigsten Schlachten des englischen Bürgerkriegs. Als man gegen Abend die Gefallenen vom Schlachtfeld schleppt, da ist auch William Lawes unter ihnen. Auf der Heide von Rowton ist, im Alter von nur 43 Jahren, einer der größten Komponisten Englands umgekommen - nicht etwa als unbeteiligtes Zivilopfer, sondern als Soldat. Eine ihm angebotene weniger gefährliche Mission hatte Lawes abgelehnt.

Extravagante Schönheit

Zehn Jahren stand der Heißsporn Lawes im Dienste  Charles', dieses hochverfeinerten Ästheten aus dem Hause Stewart. Ein Monarch, der über dieser Verfeinerung gleichwohl den vernünftigen Kontakt mit seinem Volk verlor. Die Kunst immerhin, die trieb während seiner glücklosen Regentschaft Blüten von faszinierender, extravaganter Schönheit.

Durchpulst vom Geist des Tanzes

Mitte der 1630er Jahre komponierte Lawes für seinen König die Sammlung "The Royal Consort" für Gambenquartett und Theorbe. Ein Zyklus, den Laurence Dreyfus, Leiter des Gambenensembles Phantasm, gewohnt begeistert und beredt auf Augenhöhe sieht mit den großen Tanzsammlungen der abendländischen Musik, seien es Dowlands Lacrimae-Pavanen, Bachs Orchestersuiten oder die Walzer von Johann Strauß. Und Dreyfus hat recht: Pavanen schreibt Lawes wie Irrgärten im Mondenlicht, melancholisch-spleenige Airs, kecke Couranten mit ironisch geschürzter stiff upper lip, all das durchsetzt von absurden harmonischen Fortschreitungen, markerschütternden Dissonanzen, rhythmischen Vexierspielen, die jeden arglosen Tänzer unweigerlich straucheln ließen - und doch so vital durchpulst vom Geist des Tanzes, dass man unwillkürlich nach wenigen Sekunden mitzuwippen beginnt. Höchste Kunst, tiefstes Gefühl.

Schwelgen und Schwärmen

Die Musiker von Phantasm bringen beides beglückend zusammen, spielen mit minutiöser Darstellung der abenteuerlichen polyphonen Linien dieser Musik die intellektuelle Karte genau so lustvoll aus, wie sie sich klangvoll-fein in ihre reiche Emotionalität versenken, schwelgen und schwärmen in Schmerz, Jubel, Zorn, Spott. Meisterhafte Musik, meisterhaft gespielt. Charles I. habe, heißt es, als er von Lawes Tod erfuhr, mehr getrauert als über den irgendwelcher nahen Verwandten. Vier Jahre später schon fällt des Königs Haupt auf dem Schafott, und den Künsten stehen in der puritanischen Diktatur Oliver Cromwells schwere Zeiten bevor. Lawes' Musik ist ein klingendes Argument dafür, wie exorbitant falsch Cromwell lag.

BR Klassik Radio
02 August 2015