Dunedin Consort - J.S. Bach: Christmas Oratorio - Concerto
Im vergangenen Jahr haben John Butt und sein Dunedin Consort zwei weihnachtliche Glanzlichter aus Johann Sebastian Bachs erstem. Leipziger Amtsjahr zusam mengebracht und gleichzeitig in den Kontext der dortigen Vesperliturgie für den 25. Dezember 1723 gestellt: Damals wurde (anders, als im Booklet angegeben) in der Thomaskirche die schon am Morgen im Hauptgottesdienst der Nikolaikirche aufgeführte Kantate >Christen, ätzet diesen Tag< BWV 63 aus Bachs Weimarer Tagen wiederholt und höchstwahrscheinlich auch jenes Magnificat wieder musiziert, das der neue Thomaskantor wohl zum Fest Mariae Heimsuchung am 2. Juli desselben Jahres komponiert hatte. Es ist im Unterschied zur heute bekannteren Spätfassung BWV 243 in Es-Dur und mit Block- statt Traversflöten notiert; Bach hat es außerdem nach alter Leipziger Tradition um vier generalbassbegleitete weihnachtliche Einlagesätze erweitert. Die geben dem Ganzen eine archaisch anmutende Rückbindung ins 17. Jahrhundert, und die wird noch intensiviert durch den ebenfalls aufgenommenen doppelchörigen Introitus >Hodie Christus natus est< von Giovanni Gabrieli aus dem Florilegium Portense, einer in Bachs Leipzig weiterhin benutzten alten Motettensam mlung. Drei Choralbearbeitungen aus Bachs Orgelbüchlein und seine Fuge über das Magnificat BWV 733 (die sein Thomaskirchenorganist Christian Gräbner an Weihnachten 1723 vermutlich allesamt nicht gespielt hat) sowie dazu passende Gemeindegesänge runden das CD-Programm ab. Wer die komplette liturgische Musik einer damaligen Leipziger Weihnachtsvesper hören möchte, findet Weiteres auf der Internetseite des Labels zum kostenlosen Download.
John Butt besetzt den Vokalteil seines Consorts wie schon in den vorausgegangenen Einspielungen von Bachs h-Moll-Messe und den Passionen nachJohannes und Mat thäus mit maximal zwei Singstimmen pro Chorpartie. Er lässt hier im tiefen französischen Kammerton (a' = 392 Hz) musizieren, wodurch die ursprünglich im hohen Chorton notierte Kantate und das Es-Dur Magnificat etwas entspannter klingen als in mancher Vergleichseinspielung. Überhaupt präsentiert sich die Aufnahme in einem warmen, abgerundeten Klangbild, zu dem die offenbar nicht sklavisch an barocken Bautraditionen orientierte große Orgel der Greyfriarsk Kirk in Edinburgh (Peter Collins 1990) das ihre beiträgt.
Die Aufnahme des Weihnachtsoratoriums, die Butt vor wenigen Wochen nachgeschoben hat, verzichtet sinnvollerweise auf die liturgische Begleitmusik: Trotz seiner Verteilung auf Leipziger Gottesdienste zwischen dem ersten Weihnachtstag und Epiphanias an der Jahreswende 1734/35 geht es hier ja urn ein dramaturgisch in sich geschlossenes Werk, wie es schon der erhaltene zeitgenössische Textdruck betont.
Butt arbeitet (jetzt im spätbarocken Standard-Kammerton von 415 Hz) mit zwei wechselnden Sängerquartetten, die er nur in den mit festlichem Trompetenchor be setzten Teilen I, III und VI gelegentlich von einem Ripienoquartett verstärken lässt. Im Instrumentalbereich sind lediglich die beiden Violinstimmen doppelt und die Continuopartie mit Orgel, Cembalo, Violoncello, Violone und Fagott üppig besetzt. Das ergibt insgesamt einen entspannten, bassbetonten und doch transparenten Ensembleklang, zumal die Altpartien durchweg von Mezzosopranen gesungen werden. Nur der vierte Teil überrascht mit einem ungewohnt strahlenden Hörnerklang – da wird offenbar auf jegliches Stopfen verzichtet.
Alle singen und spielen nicht nur perfekt, sondern mit großer Ausstrahlung, so dass man über die wenigen vokalen Verfärbungen der Nicht-Muttersprachler in diesem und jenem Rezitativ getrost hinweghören kann. Zumal bestimmte Passagen in den Ensemblesätzen dank der kleinen Besetzung umso schöner nachzuverfolgen sind, etwa die liebevoll vokal-instrumental aufgefächerte Rhetorik in den Chören der Engel, Hirten und Weisen.
Butt ist hier für ein auf dem Schallplattenmarkt wahrlich nicht unterrepräsentiertes Werk eine Referenz-Aufnahme gelungen.